Komponistinnen - das stete Bemühen um Anerkennung

Die Geschichte komponierender Frauen ist eine Geschichte ihres Bemühens um gesellschaftliche Anerkennung. Das gilt auch für die Komponistinnen, mit deren Werken das Appenzeller Kammerorchester sein nächstes Programm gestaltet: Marianna Martines, Clara Schumann (geborene Wieck), Ruth Gipps, Florence Price und Josefine Alder.


Illustration: Werner Meier.

«Es sollen keine kleinen Lieder sein, was als erstes von mir zu sehen sein wird. Denn Lieder, wirklich schöne Lieder, schreiben viele meines Geschlechts. Kammermusikwerke … das ist der Auftakt, den ich mir wünsche. Man könnte leichter einem Felsen ein Stück entreissen als mir meine Idealvorstellung: die Aufwertung der Frauen!» Elfrieda Andrée (1841 – 1929), schwedische Organistin und Komponistin. 

Tochter aus gutem Haus
Marianna Martines wächst als Tochter eines hohen Diplomaten in Wien auf in einem Umfeld, das ihr Bildung in Literatur und Sprachen und in Musik ermöglicht. Von den besten Musikern ihrer Zeit (u.a. Joseph Haydn) unterrichtet, tritt sie als Sängerin und Cembalistin auf. Ihre Kompositionen werden aufgeführt, darunter eine Messe in der Wiener Hofkirche, was für eine junge Frau absolut aussergewöhnlich war. Gedruckt wird allerdings ausser zwei Klaviersonaten kein weiteres Werk, und so gerät sie bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit. Trotz ihrer Bekanntheit kann sie als Frau keine Anstellung am Hof oder als Kirchenmusikerin erhalten. So wird ihr Salon in Wien, in dem auch Mozart verkehrte, zum Ort ihrer musikalischen Verwirklichung als Solistin und Komponistin.

Wunderkind
Clara Wieck, Tochter des Klavierlehrers Friedrich Wieck, wird vom Vater von Beginn an gefördert und in der Öffentlichkeit präsentiert. Nach frühen Kompositionsversuchen schreibt sie bereits mit 14 Jahren das Klavierkonzert in a-moll. Die Ehe mit dem neun Jahre älteren Robert Schumann bringt sie an den Rand ihrer Kräfte im Spannungsfeld von Kinderkriegen, Solokarriere und Unterstützung des psychisch und körperlich labilen Ehemanns. Der Briefwechsel zwischen den beiden zeigt ihr Ringen um das Komponieren zwischen Euphorie, Tatendrang und Selbstzweifel. Robert unterstützt sie, allerdings manchmal im Widerspruch zu seiner Erwartung an sie als Solistin und Mutter. Er schreibt am 17. Februar 1843 ins Ehetagebuch: «Klara hat eine Reihe von kleineren Stücken geschrieben, (…). Aber Kinder haben und einen immer phantasierenden Mann, und componieren geht nicht zusammen.» 

Noch ein Wunderkind
Ruth Gipps, in eine musikalische Familie hineingeboren, tritt bereits mit vier Jahren öffentlich auf, komponiert mit acht ein erstes Stück und beginnt mit 15 Jahren ihr Studium am Royal College of Music in London mit Oboe, Klavier, Komposition und Dirigieren. Frühe Erfolge als Komponistin (1946 Uraufführung der 2. Sinfonie op. 30) ebnen ihr den Weg im Musikleben Englands; als Dirigentin bleibt ihr allerdings eine Stelle als Leiterin eines grossen Orchesters verwehrt. In ihrer Autobiographie schreibt sie, dass Dirigieren für Frauen in dieser Zeit undenkbar war, ja als «beinahe unanständig» galt. Ihre stilistische Einordnung in der britischen Spät- und Nachromantik zeigt sich auch im Streicherpoem «Cringlemire Garden» aus dem Jahre 1952.

Woman of Colour 
Florence Price schreibt in einem Brief an den Dirigenten Sergei Kussewizki: « (…) ich habe zwei Handicaps (…), ich bin eine Frau und habe auch schwarzes Blut in meinen Adern.» Sie ist die erste afroamerikanische Frau, von der ein Werk von einem grossen Orchester in den USA aufgeführt wurde, nämlich die Sinfonie e-moll aus dem Jahre 1932. Neben Erfolgen als Komponistin gibt es aber auch Rückschläge, und ein Grossteil ihrer rund 300 Kompositionen bleibt unveröffentlicht. Das Werk «Adoration», 1951 für Orgel solo geschrieben, wurde in Arrangements für unterschiedliche Besetzungen sehr populär.

Autodidaktin ohne Notenkenntnis
Josefine Alder kommt als Teil der bekannten Streichmusikdynastie Alder früh in Kontakt mit Musik. Sie pflegt die Tradition des Solo-Klavierspiels und bestreitet ganze Tanzanlässe allein. Als Autodidaktin ohne Notenkenntnis geben ihr die schwarzen Tasten eine bessere Orientierung, und so spielt sie nur in B-Tonarten. Wenn also ein Geiger dazu kommt, stimmt dieser seine Geige stets auf B. Unser «Wälserli» ist eigentlich «im Es inne», wie es im Titel heisst, wir haben es wegen der Verbindung zum vorausgehenden Zäuerli auf C umgeschrieben, was uns Josefine hoffentlich nicht übel nimmt.

Nächste Konzerte

Das Appenzeller Kammerorchester lädt Mitte Juni ein zu drei Konzerten mit neuem Programm:

  • Freitag, 14. Juni 2024, 19.30 Uhr, Kirche Wolfhalden
  • Samstag, 15. Juni 2024, 20.00 Uhr, Kath. Herz-Jesu-Kirche, Buchs SG
  • Sonntag, 16. Juni 2024, 18.00 Uhr, Pfalzkeller St.Gallen

Werke von Frauen sind immer noch rar in den Konzertprogrammen. Das Appenzeller Kammerorchester setzt einen Kontrapunkt und kombiniert im neuen Programm ausschliesslich Kompositionen von Musikerinnen. Im Zentrum steht das Klavierkonzert a-moll von Clara Schumann (1819 – 1896) mit Lisa Maria Schachtschneider als Solistin. Ein Jahrhundert früher hat Marianna Martines (1744 – 1812) die Sinfonia in C geschrieben, ein Jahrhundert später Ruth Gipps (1921 – 1999) ihre poetische Klangdichtung «Cringlemire Garden». Daneben Überraschendes aus der Appenzeller Volksmusik: ein Walzer von Josefine Alder, und Populäres aus den USA: Adoration von Florence Price.

Die Pianistin Lisa Maria Schachtschneider lebt seit zehn Jahren in der Ostschweiz und ist eine gefragte Solistin, Liedbegleiterin und Kammermusikerin. Sie tritt regelmässig in vielen Städten Deutschlands, in Österreich, Liechtenstein, in Italien und in der Schweiz auf. 

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