Das neue Projekt des Appenzeller Kammerorchesters

SPINNEN – eine Oper von Peter Roth für 4 Soli, Chor, Bläser, Streicher, Hackbrett, Peitsche und Gong

Konzertante Uraufführung durch Appenzeller Kammerorchester, Chorwald, Chorprojekt St. Gallen und SolistInnen im September 2014:

Tonhalle Wil
Samstag, 13. Sept. 14, 20 Uhr
Sonntag, 14. Sept. 14, 19 Uhr

Evang.-ref. Kirche Heiden
Samstag, 20. Sept. 14, 20 Uhr
Sonntag, 21. Sept. 14, 19 Uhr


Szenische Uraufführung durch CHORES  zum Gedenkjahr 100 Jahre ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ (Albert Schweitzer) 2015


Zu Idee und Inhalt der Oper

Ehrfurcht versus Machbarkeit
 
In der Erzählung «Die schwarze Spinne» von Jeremias Gotthelf (1797 – 1854) wird das Volk durch einen Pakt mit dem Teufel ins Verderben gestürzt. In der Oper SPINNEN wird den Menschen ihre Hybris, ihre mangelnde Ehrfurcht vor Leben, Natur und Schöpfung zum Verhängnis. Im blinden Glauben an das Gesetz der Machbarkeit folgen sie jenen, die im eigenen Interesse Risiken der Atomenergie kleinreden und grossartige Versprechen für die Lagerung des strahlenden Mülls abgeben. «Und sagt einer: Ist doch kein Problem, dann nicken sie und folgen dem» – so singt Christine, die Sopranstimme in der Mitte der Oper. Als Librettist und Komponist von SPINNEN sagt der Komponist Peter Roth den Menschen mit Sophie, der anderen weiblichen Solostimme: Hört auf euch selbst, vertraut eurer eigenen Weisheit, entdeckt eure natürliche Ehrfurcht vor Leben, Natur und Schöpfung und handelt entsprechend! So wie es uns Albert Schweitzer (1875 – 1965) mit seiner Ethik «Ehrfurcht vor dem Leben» 1915 wie einen Spiegel vor Augen führte und uns bis zu seinem Tod 1965 auch vorlebte.

Hansruedi Kugler, Journalist aus dem Toggenburg, hat Peter Roth getroffen und erzählt aus dem Gespräch:
Peter Roth hat Jeremias Gotthelfs berühmte Erzählung «Die Schwarze Spinne» in eine moderne, politische Oper übersetzt. Den Teufel hat er deshalb aus dem Stück verbannt. Stattdessen fordert er politische Eigenverantwortung ein – die Spinnen-Bedrohung geht vom Atommüll aus. «Eigentlich gehe ich selbst fast nie in die Oper, und wie man eine Oper schreibt, wusste ich bis vor kurzem auch nicht.» Das sagt einer, der sich in fast allen musikalischen Genres heimisch fühlt. Aber eben nur fast: Peter Roth spielt zwar Blues und Freejazz, jodelt, spielt Klavier und Hackbrett, leitete verschiedene Chöre und ist ausgebildeter Kirchenmusiker, kennt also auch das klassische Fach. Aber Opern liess er bisher links liegen.
Mit seiner Oper SPINNEN geht es Peter Roth vor allem darum, eine aktuelle, aber zeitlos gültige Parabel über Verführbarkeit zu erzählen. Oder wie es in seinem Libretto heisst: «Das ist die immerwährende Geschichte von Verführern und Verführten, die sich verführen lassen. Und sagt einer: Ist doch kein Problem, dann nicken sie und folgen dem. Das ist die uralte Geschicht': Selbst denken wollt ihr nicht.»
Politik, Musik und Spiritualität gehören für Peter Roth immer zusammen. Gotthelfs «Die schwarze Spinne» ist zwar vordergründig kein politischer Stoff, sondern eine heilsgeschichtliche und erbauliche Parabel. In Gotthelfs Erzählung seufzen leibeigene Bauern unter der unmenschlichen Fronarbeit für den Ritter Hans von Stoffeln. Dieser zwingt seine Untertanen nach einem aufwändigen Schlossbau aus einer Laune heraus auch noch, innert eines Monats einen Schattengang von hundert mächtigen Buchen zu pflanzen. Die Bauern suchen Hilfe in einem Pakt mit dem Teufel, wollen diesen dann überlisten und müssen dafür teuer bezahlen. Die Rache des Teufels ist verheerend. Unzählige fallen der Schwarzen Spinne zum Opfer. Erst standhaftes Gottvertrauen und Opferbereitschaft können die Teufels-Spinne mit einem Holzzapfen in einen Stuben-Balken einsperren.
In Peter Roths Oper hilft statt dem Teufel eine neue, aber gefährliche Energie, deren Abfall für Hunderttausende von Jahren sicher entsorgt werden muss. Und schon ist die Oper in der Gegenwart und beim Reizthema Kernkraft angekommen. Weil das Dorf Fukusiwil heisst, ist der Weg bis zum Strahlentod vorgezeichnet. Denn der «Betonzapfen» dichtet halt nicht perfekt ab. Gott und Gottvertrauen kommen in Peter Roths Oper nicht vor, das naive, apolitische Volk läuft selbstverschuldet ins eigene Verderben.
Kann man eine religiöse Erbauungsgeschichte im Rahmen der mittelalterlichen Leibeigenschaft in eine politische Parabel innerhalb der modernen, aufgeklärten Demokratie überführen? Für Peter Roth steht dies ausser Frage: Erstens habe auch Gotthelf die Geschichte für seine religiöse Erbauungs-Botschaft in einer späteren Epoche (19. Jh.) verwendet. Gotthelf erzählte die Geschichte auch als Warnung vor der sittlichen und religiösen Gleichgültigkeit. Zweitens seien Kritiklosigkeit und Verführbarkeit auch heute weit verbreitet. «Ich habe schon als Jugendlicher bei der Lektüre nicht verstanden, wieso bei Jeremias Gotthelf keiner fragt, wozu der Ritter diesen Schattengang braucht und ihn eventuell davon abzubringen versucht. Der Luxus-Wunsch des Herrschers ist für die Dorfbewohner offenbar unantastbar. Das hat mich gestört», sagt Peter Roth. «Auch dass nach dem Teufelspakt, nach der scheinbar einfachen Lösung, niemand die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen will, fand ich beschämend. Dann kommen Rattenfänger mit simplen Lösungen.» Auf heute gemünzt: «Man läuft auch heute noch gerne jenen nach, die einfache Lösungen versprechen.» So bewundern die Männer den reichen Kuno, die Frauen lassen sich vom zynischen, gerissenen Berater von der Ungefährlichkeit der neuartigen Energie überzeugen.
Darum hat Peter Roth zwei Frauenfiguren ins Zentrum seiner Oper gerückt: «Natürlich sind diese Warnerinnen zwei Frauen», sagt Peter Roth. «Frauen reagieren sensibler.» Da ist Christine, die Warnerin in der Gemeinschaft, die vergeblich ihre Mitbürger auf die Gefahren hinweist: «Lasst ab von diesem Technik-Wahn! Ach bitte, Frauen, denkt daran, was ihr den Kindern hinterlässt, denn tödlich ist der Rest. Des Königs Wunsch ist das Problem. Der Mann ist völlig durchgeknallt!» Als Antwort singt der Frauenchor: «Weib schweig! Das ist Ketzerei. Herr Kuno macht uns frei. Er hilft aus aller Not und Pein. Drum lasst uns doch dankbar sein.» Da ist aber auch noch Sophie, eine Figur ausserhalb von Raum und Zeit, die bei Christine als innere Stimme präsent, für das Theaterpublikum aber sichtbar ist und neben der Bühne in einem Scheinwerferkegel steht, die sagt: «Wie mies es euch auch geht, es ändert nichts und bleibt wie's ist. Bis endlich dann, ganz plötzlich das Grauen in die Welt einbricht.»
Die Literaturkritik im 20. Jahrhundert hat Gotthelfs Erzählung vor allem wegen der eleganten Konstruktion, aber auch wegen des existenziellen Erschreckens, ja des Horrors, der von der nicht fassbaren, mordenden Schwarzen Spinne ausgeht, bewundert. Diesen Horror setzt Peter Roth musikalisch gleich an den Beginn seiner Ouvertüre. Das sieht schon auf den Notenblättern spektakulär aus. Zunächst steigen die Streicher in schrille Höhenlagen, dann knallt eine Peitsche. Die Herrschaft, die Bedrohung bleiben diesen musikalischen Lagen verbunden. Den musikalischen Gegenpol bilden die Gongs – Ausdruck einer inneren Weisheit, wie Peter Roth sagt.
Albert Schweitzers Ethik «Ehrfurcht vor dem Leben» und sein Wirken beinhalten gültige Werte der Menschlichkeit, der sozialen Gerechtigkeit, des verantwortungsvollen Umgangs mit den Schätzen der Natur, Pflanzen, Tieren, der gesamten Schöpfung also, und ist eine Kultur des Friedens. Diese Werte und Aufgaben erfordern ein permanentes Nach-, Mit- und Überdenken des eigenen Tuns. Diese Mitverantwortung wird im Gedenkjahr 2015 im Mittelpunkt zahlreicher Aktivitäten stehen. «Jede Generation muss ihre Aufgaben selber lösen», war Albert Schweitzer überzeugt.

In Teilen entnommen einer Broschüre von CHORES (Chor & Musikprojekt Erich Stoll)

Weitere Informationen: www.spinnenoper.ch und www.chorprojekt.ch

Nächste Konzerte

Das Appenzeller Kammerorchester lädt Mitte Juni ein zu drei Konzerten mit neuem Programm:

  • Freitag, 14. Juni 2024, 19.30 Uhr, Kirche Wolfhalden
  • Samstag, 15. Juni 2024, 20.00 Uhr, Kath. Herz-Jesu-Kirche, Buchs SG
  • Sonntag, 16. Juni 2024, 18.00 Uhr, Pfalzkeller St.Gallen

Werke von Frauen sind immer noch rar in den Konzertprogrammen. Das Appenzeller Kammerorchester setzt einen Kontrapunkt und kombiniert im neuen Programm ausschliesslich Kompositionen von Musikerinnen. Im Zentrum steht das Klavierkonzert a-moll von Clara Schumann (1819 – 1896) mit Lisa Maria Schachtschneider als Solistin. Ein Jahrhundert früher hat Marianna Martines (1744 – 1812) die Sinfonia in C geschrieben, ein Jahrhundert später Ruth Gipps (1921 – 1999) ihre poetische Klangdichtung «Cringlemire Garden». Daneben Überraschendes aus der Appenzeller Volksmusik: ein Walzer von Josefine Alder, und Populäres aus den USA: Adoration von Florence Price.

Die Pianistin Lisa Maria Schachtschneider lebt seit zehn Jahren in der Ostschweiz und ist eine gefragte Solistin, Liedbegleiterin und Kammermusikerin. Sie tritt regelmässig in vielen Städten Deutschlands, in Österreich, Liechtenstein, in Italien und in der Schweiz auf. 

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