IO Kammerorchester und Voci gemeinsam - intensive Probe am Wochenende im Kloster Ilanz.
Gespräch mit Jürg Surber zu seiner Komposition "Denn Leben und Tod sind eins"
Texte sind eine starke Quelle der Inspiration
Vom frühen Mittelalter bis ins Jahr 2018 reicht der musikalische Bogen der bevorstehenden Konzerte des Appenzeller Kammerorchesters. "Ein Lied für Solostimme, vierstimmigen Chor und Streichorchester", beschreibt Jürg Surber seine neueste Komposition, die aus diesem Anlass zum ersten Mal ertönt. Massgeschneidert gewissermassen für das Kammerorchester und das Vokalensemble Voci. Ein Werk, das berührt, musikalisch und durch den Text.
Er habe nie viel komponiert, erzählt der Dirigent des Appenzeller Kammerorchesters, "das war bisher kein zentraler Punkt meiner Identität als Musiker". Dennoch gebe es "eine schmale, aber kontinuierliche Spur von Kompositionen", wenn auch wenig davon in der Öffentlichkeit bekannt ist. Etwas von Grund auf erschaffen, was es noch nie gegeben hat, das fasziniere ihn: "Was ist die eigene Sprache, wie klingt die Musik, die ich in meinem inneren Ohr höre?"
Erste Notizen entstehen jeweils mit Bleistift in einem kleinen Büchlein mit Notenpapier, das sein ständiger Begleiter ist. Später setzt sich Jürg Surber ans Klavier, probiert – und korrigiert, probiert wieder. Den PC benutzt er erst nachher, um das Notenmaterial bereitzustellen. "Dabei entdeckt man auch immer wieder Fehler." So entsteht Schritt für Schritt ein ganzes Werk. Musikalisch bewegt sich Jürg Surber – ausser bei eigenen Improvisationen – (meist) in einem erweiterten tonalen Feld. Das hat auch damit zu tun, für wen er etwas komponiert. "Mich interessieren Klänge, welche hellhörig machen, die Mitwirkenden und das Publikum."
Bilder, die berühren
Beim Komponieren sind für ihn vor allem Texte eine Quelle der Inspiration. Das war diesmal nicht anders. Die Rede "vom Tode" aus dem Werk "Der Prophet" des libanesisch-amerikanischen Malers, Philosophen und Dichters Khalil Gibran (1883 – 1931) hat Jürg Surber an einem Konzert gehört. Die starken Bilder haben ihn berührt, haben ihn auch persönlich nicht mehr losgelassen. Als textliche Zusammenfassung gewissermassen des mit dem Appenzeller Kammerorchester geplanten Programms mit Musik zu Leben und Tod. Nicht von ungefähr hat er das kurze Stück für Kontrabass und Geige "Alter Stamm – abgeschnitten" vorangestellt, das er vor einigen Jahren aus Anlass des ersten Todestages seines Vaters geschrieben hatte. Während den Frühlingsferien entstand eine erste Skizze, hatte er am Text gefeilt, ihn auf ein paar Gedanken fokussiert. In den Sommerferien arbeitete er weiter, so dass schliesslich im September der Chorsatz fertig war. Für den Orchestersatz brauchte er dann doch noch die Herbstferien. "Es ist natürlich ein Privileg, dass ich nach der ersten Probe noch anpassen, kleine Schwächen beheben kann."
Aktuelle Tonsprache
Und was genau ist entstanden? Eigentlich ist "Denn Leben und Tod sind eins" ein Lied für Solostimme, vierstimmigen Chor und Streichorchester, charakterisiert Jürg Surber sein neustes Werk. Man könnte auch von einer "Mini-Kantate" sprechen. Das Lied greift in aktueller Tonsprache die Kombination von Einstimmigkeit in Anlehnung an die Gregorianik und Mehrstimmigkeit auf. Diese Mischform zwischen Einstimmigkeit und Mehrstimmigkeit ist eine Spezialität des – von Jürg Surber mitgegründeten - Vokalensembles Voci.
Nach den ersten gemeinsamen Proben von Chor und Orchester ist Jürg Surber zuversichtlich. "Wie es klingen wird, klingen soll, weiss ich natürlich schon vorher." Aber da ist doch eine Unsicherheit, wie sich die Noten singen lassen, wie das Zusammenspiel mit dem Orchester funktioniert. "Man ist in dem Zeitpunkt schon ziemlich exponiert, schliesslich steht alles schon im Programm." Darum ist er froh über die positive Resonanz und freut sich über die Offenheit der Mitwirkenden, sich auf etwas Neues einzulassen. Auch wenn das Zusammenspiel jetzt noch an Bedeutung, an Tiefe gewinnen muss – man spürt bei allen den Stolz und die Freude, etwas uraufführen zu dürfen. Das ist für alle etwas Besonderes.
Anita Dörler, November 2018